Diese Warnsignale entlarven deinen Chef als toxische Führungskraft

Quelle: WELT – Redakteurin Community & Social

Mit ihrem Verhalten können toxische Führungskräfte ihren Mitarbeitern das Leben zur Hölle machen. Das Problem: Sie von Anfang an als toxisch zu identifizieren, ist nahezu unmöglich. Ein Psychiater hat uns verraten, warum das so ist – und wie du dich schützt, bevor es zu spät ist.

Mobbing, Diskriminierung oder sexuelle Belästigung durch den Chef: Jeder Arbeitnehmer weiß, dass diese Dinge zu weit gehen. Es sind rote Flaggen, die keine Zweifel zulassen – hier wurde eindeutig eine Grenze überschritten.

Aber wie sieht es mit den gelben Flaggen aus? Im stressigen Arbeitsalltag sind diese kleinen Grenzüberschreitungen leicht übersehbar. Dabei sind sie ein Frühwarnsystem: Sie weisen darauf hin, dass du es mit einem sogenannten „Toxic Leader“ zu tun hast.

„Die wirklich erfolgreichen Anzugtäter verstehen ihr Handwerk bis zur Perfektion“

Den Schweizer Psychologen Anja Oswald, Pablo Hagemeyer und Jan Gysi zufolge sind „Toxic Leader“ toxische Menschen in Führungspositionen, getrieben von der Gier nach Anerkennung, Reichtum, Macht und Kontrolle. Ihr Verhalten wird ausgezeichnet durch krankhafte Lügen und Manipulationen zum eigenen Zweck. Dazu kommen fehlende Empathie, Arroganz, eine geringe Frustrationstoleranz, reueloses Handeln sowie die Tendenz, andere zu entwerten.

Hinter diesem Verhalten stecken die Persönlichkeitseigenschaften der „Dunklen Tetrade“: Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie und Sadismus. Das mag zunächst nach einer explosiven Mischung klingen, die für Außenstehende leicht zu erkennen sein sollte – doch „Toxic Leader“ sind erstaunlich gut darin, ihr Umfeld zu blenden.

„Die wirklich erfolgreichen Anzugtäter verstehen ihr Handwerk bis zur Perfektion und können gezielt die Eigenschaften des Narzissten, Machiavellisten, Psychopathen und Sadisten dort einsetzen, wo es im Sinne ihrer Zielerreichung die beste Wirkung erzielt“, stellen die Experten in einer wissenschaftlichen Publikation fest.

Diese Warnsignale sollten stutzig machen

Auch wenn ein „Toxic Leader“ anfänglich unheimlich gewinnend sein kann, dauert es meist nicht lang, bis die ersten Grenzüberschreitungen auftreten. „Was ist mit dem Angebot des DU, in einer Firma, wo nur das SIE Tradition ist“, führt Hagemeyer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, als Beispiel auf. „Was ist mit dem kleinen Gefallen, einen Kaffee mitzubringen? Oder die Mitfahrgelegenheit mit dem Chef zu nutzen? Wie leicht gehen wir über diese scheinbar harmlosen Grenzen, wenn wir kaum ein Gespür dafür haben, da wir selbst schon früh Grenzverletzungen in der Entwicklung für normal erachten?“

Solche Warnsignale zu erkennen ist wichtig, da sie sich schnell in die oben genannten roten Flaggen wandeln können. Zum Beispiel, wenn aus den Überstunden im Büro ein Abendessen mit dem Chef wird. Wenn er nah rankommt und die Hand auf eure Schulter legt. Sich am Schreibtisch nah über euch beugt. „Die rote Flagge ist dann, eine sexuelle Beziehung mit einem Kollegen oder Vorgesetzten zu beginnen.“

Durch Machtmissbrauch und psychischen Druck wird der Mitarbeiter der toxischen Person unterworfen. Diese massiven Grenzüberschreitungen sind für Betroffene extrem destabilisierend – das kann bis zur Abhängigkeit, der Aufgabe der eigenen Persönlichkeit und Suizidalität führen. Auch Scham spiele eine Rolle.
“Nicht selten müssen wir unsere eigenen innersten Ideale und Werte verraten, nur um der Führungskraft zu gefallen.”
Pablo Hagemeyer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Wer sich selbst verrät, nur um die Liebe des Vorgesetzten zu erhaschen, könne in einen selbstzerstörenden Modus geraten, der tiefe Zweifel an der eigenen Wahrnehmung sät.

Es gibt zwei Auswegsoptionen – und keine davon ist einfach

„Wächst der Leidensdruck ins Unermessliche und ist Aushalten und Akzeptieren keine Option mehr, weil die Qualen zunehmen und zu lange anhalten, wird vermutlich die Kündigung eine der klügeren Optionen sein“, sagt Hagemeyer. „Hier kann übrigens jeder Arzt die ‚Kündigung auf ärztlichen Rat‘ aussprechen und man wird beim Arbeitsamt nicht gesperrt.“ Bevor ihr diesen Schritt geht, könnt ihr euch aber auch bei eurem Betriebsrat, der HR-Abteilung oder einem Anwalt Rat suchen. Denn manche Handlungen – wie Beleidigungen oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – sind strafbar und ihr könnt dagegen rechtlich vorgehen.

Wer eine dicke Haut hat und sich nicht so leicht kränken lässt, könne hingegen versuchen, schnell und zügig aufzusteigen, um bald eine sichere Position im Unternehmen zu erreichen, wo die Angriffe nicht mehr so massiv sind. Die Tipps des Experten Hagermeyer: Wenn man in einem Unternehmen aufsteigen oder bestehen will, gelte es, „solide zu arbeiten, sich ehrgeizig für das einzusetzen, was einem wichtig ist und Personen und Strukturen zu nutzen, die einem dabei helfen.“

Auf eines solltet ihr dabei aber verzichten: Euch in die Riege der Menschen einzureihen, die sich toxisch verhalten. Dazu gehöre laut Hagemeyer: Menschen, die einem im Weg stehen, durch gestreute Lügen schlecht dastehen zu lassen. Kollegen durch massive Angriffe psychisch zu zerstören. Nicht mehr zu wissen, was man am Vortag sagte. Bewusst alles misszuverstehen, hinauszuzögern und die anderen zu ermüden. Dieses Verhalten sei zwar auch eine Auswegsoption, aber keine redliche.